mehr als wählen will durch neue Formen der Bürgerbeteiligung den gegenseitigen Austausch in den Fokus des demokratischen Selbstverständnisses rücken und so politische Partizipation wieder erfahrbar machen. Denn die empfundene Undurchsichtigkeit und Komplexität des politischen Systems, stereotype Wahrnehmungen von Politiker*innen und eine zunehmende Spaltung und Polarisierung der Gesellschaft sind Phänomene, die die repräsentative Demokratie zunehmend schwächen. Anstatt einer konstruktiven Debattenkultur, wo Standpunkte und Argumente des Anderen zunächst gehört und dann in einem angemessenen Rahmen be- und verhandelt werden, herrscht bei vielen Bürger*innen ein Gefühl unzureichender Beteiligung und Entfremdung vom politischen System vor. Doch nicht nur der Kontakt zwischen Politik und Bürgerschaft ist brüchig, auch innerhalb der Gesellschaft lässt sich immer weniger Interaktion zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen beobachten.
Das möchten wir ändern! Wir wollen einen inklusiven Austausch initiieren, bei dem die Bürger*innen den Prozess der Willensbildung aktiv mitgestalten. mehr als wählen sieht in allen Bürger*innen politische Verantwortungsträger*innen, die mehr bewirken können, als alle vier Jahre ein Kreuz zu setzen.
Das Vorgehen von mehr als wählen kennzeichnet sich dadurch aus, Denkräume zur Auseinandersetzung mit gesellschafts- und kommunalpolitisch relevanten Fragestellungen zu schaffen. Demokratie soll wieder als eine Praxis verstanden werden, die durch gemeinsame Beratschlagung vieler verschiedener Menschen, Möglichkeiten der aktiven Mitgestaltung schafft. In einem Prozess über mehrere Wochen sollen dafür 50 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger eine solche Thematik diskutieren. Dies erfolgt nach dem Modell der qualifizierten Zufallsauswahl, welche nicht nur versucht eine ethnische, sozialstrukturelle und geschlechtliche Ausgewogenheit abzubilden, sondern auch ein „Mehr-Generationen-Dialog“ sein will, der verschiedene Alterskohorten berücksichtigt. Unterstützt werden die Teilnehmenden durch Vorträge von Expert*innen aus Theorie und Praxis. Bei der Auseinandersetzung der ganztägigen Denkräume soll der Austausch von Argumenten im Vordergrund stehen und allen Teilnehmenden die Möglichkeit gegeben werden ihre jeweiligen Position darzustellen. Die verschiedenen Diskussionsergebnisse werden abschließend zusammengefasst und in Form einer „Bürgeragenda“ an die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung übergeben.
Durch die zufällige Auswahl der Bürgerinnen und Bürger wird nicht nur ein alter, antiker Grundsatz der Demokratie reaktiviert, sondern auch versucht, einen neuen Wert für die Gegenwart zu schöpfen. Wenn wir uns wieder als Verantwortungsträgerin oder Verantwortungsträger verstehen, dann kann Politik mehr als wählen sein. Dann rückt wieder die politische Praxis in den Alltag, dass wir fähig sind, Dinge auch im Kleinen verändern zu können.
Unser Vorgehen lässt sich kurz in folgende fünf Kernpunkte zusammenfassen:
- Demokratie ist ein fortwährender Prozess (Demokratie funktioniert nicht, wenn das Ergebnis von Beginn an feststeht, sondern muss gemeinsam erarbeitet und immer wieder angeglichen werden)
- Demokratie braucht Zeit und Raum für Reflexion (Für den Prozess der Reflexion und des Austausches, des Zuhörens und Verstehens bedarf es Zeit. Gute Politik funktioniert nur dann, wenn wir den Bürgerinnen und Bürgern Denkräume geben und in keinen Opportunismus verfallen )
- Demokratie bedarf aktiver Mitgestaltung (Wir möchten, dass sich jede Bürgerin und jeder Bürger wieder als politisches Subjekt versteht und seine Überlegungen miteinbringen kann)
- Demokratie hat viele Entscheidungs- und Verantwortungsträger/Innen (Wie es auch in der antiken Demokratie Gremien gab, die durch Zufallslos bestimmt wurden, wollen auch wir zwei Drittel der Teilnehmenden auslosen, um verschiedenste Menschen zusammenzubringen, Denkblasen aufzulösen und den Wert der Mitbestimmung neu zu füllen. Das dritte Drittel soll durch den Einbezug von unterrepräsentierten sozialen Gruppen eingeladen werden, um dadurch einen möglichst vielschichtigen Querschnitt der Gesellschaft zu erreichen, und auch diejenigen zu bewegen, die nicht mehr wählen gehen)
- Demokratie und demokratische Innovation funktioniert nur mit einem institutionellen Verbund (Teilhabe und Lust, sich politisch einzubringen, funktioniert nur dann, wenn Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, dass ihre Überlegungen Ernst genommen werden. Deswegen werden die gemeinsam im Prozess erarbeiteten Ideen an die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung übergeben und institutionell aufgegriffen)